Nr. 346 vom 28.08.2025
Ostalb-Landrat beim Sommergespräch - Dr. Joachim Bläse: "Ohne Handeln schwächen wir unsere Demokratie!"
Zum jährlichen Sommergespräch hatte Landrat Dr. Joachim Bläse kürzlich die regionalen Medienhäuser ins Aalener Landratsamt eingeladen. Besorgt äußerte er sich über die Zukunft der Demokratie und die Zukunft Deutschlands. Die zentralen Herausforderungen – Finanzen, Bürokratie und Sicherheit – seien ungelöst oder deren aktuelle Behandlung würde die Gefahr bergen, die Demokratie zu gefährden. Statt weiterer Ankündigungen der Regierungen auf Bundes- und Landesebene fordert er konkrete Umsetzung.
Errungenschaften dürfen nicht als selbstverständlich angesehen werden
Angesichts 80 Jahren Frieden und 75 Jahren Grundgesetz blickt der Landrat kritisch auf die aktuelle weltpolitische Lage. Diese sei geprägt von militärischen Auseinandersetzungen, der Aufgabe der bisherigen regelbasierten Ordnung und handelspolitischen Sanktionen, was sich wirtschaftlich negativ auf den Standort Ostalbkreis und den hiesigen Arbeitsmarkt auswirke. "Deutschland ist in Europa und weltweit nach wie vor hoch angesehen – das habe ich auch auf meiner jüngsten Irland-Rundreise gespürt. Aber dieser Respekt ist nicht selbstverständlich, wir müssen ihn uns immer wieder neu erarbeiten", erklärte er.
Finanzlage: Belastungen hemmen Zukunftsinvestitionen
Dabei sind die Rahmenbedingungen angespannt. So gerieten die kommunalen Finanzen zunehmend unter Druck. Allein der Ostalbkreis müsse 200 Mio. Euro Sozialausgaben bezuschussen und das Defizit der Kliniken Ostalb in Höhe von 65 Mio. Euro müsse vom Landkreis abgedeckt werden. Dies habe, so Bläse weiter, dazu geführt, dass der Kreishaushalt bereits zwei Jahre nacheinander mit einem Minus im Ergebnishaushalt in jeweils zweistelliger Millionenhöhe ins neue Haushaltsjahr starten musste. Damit einher ging ein massiver Abbau der finanziellen Rücklagen. Um überhaupt einen genehmigungsfähigen Kreishaushalt aufstellen zu können, mussten die Kreisumlage deutlich auf 37,9 Punkte erhöht und im Personalbereich sowie bei den freiwilligen Ausgaben drastische Streichungen vorgenommen werden.
"Der Finanzdruck hemmt notwendige Investitionen in Infrastruktur, Forschung, Innovation und Bildung", so der Landrat. Er forderte deshalb mehr politischen Mut, auch wenn auf allen Ebenen das Organisieren von Mehrheiten in den Gremien zunehmen schwieriger werde, und stellte klar: "Im Grunde haben wir ein Ausgaben- und nicht ein Einnahmeproblem."
Forderungen an Bund und Land
Um die dramatische Finanzlage der Kreise und Kommunen zu entspannen, verweist Bläse beispielhaft auf einige Forderungen der Landkreise Baden-Württembergs an die Landespolitik: Der Sozialstaat müsse - auch auf Bundesebene - neu ausgerichtet und zukunftsfest aufgestellt werden. Weiter müssten Kommunen bei der Eingliederungs- und Jugendhilfe finanziell entlastet werden, vor allem solle das Land die durch das Bundesteilhabegesetz bei den Kreisen entstandenen Mehrkosten ausgleichen. Im Bereich schulische Inklusion sollen Zahl und Qualität der Lehrkräfte vom Land so angepasst werden, dass Kinder und Jugendliche mit Behinderung ohne zusätzliche Schulbegleitung unterrichtet werden können. Allein dem Ostalbkreis entstehen für Schulbegleitungen Kosten von mehr als 2,5 Mio. Euro jährlich. Bläse erwartet ebenso, dass sich das Land für eine dauerhafte und auskömmliche Finanzierung der Klinik-Betriebskosten beim Bund einsetzt und bei Bedarf ein eigenes Nothilfe-Programm für Kliniken auflegt. "Wir wissen, dass wir bei unseren Kliniken ein strukturelles Problem haben. Mit dem vom Kreistag beschlossenen Zukunftskonzept werden wir aber trotz der einschneidenden Maßnahmen im Übergangskonzept bis zum Neubau dennoch zunächst nur rund ein Drittel des bisherigen Defizits beseitigen können, der Rest liegt in der mangelnden Finanzierung des Betriebs durch den Bund", erklärte Bläse. Grundlegend gelte es, das sogenannte Konnexitätsprinzip - landläufig gesagt "wer bestellt, bezahlt" - wieder zu erfüllen. Wenn das Land oder der Bund Aufgaben an Kreise und Kommunen übertragen, müsse auch die Finanzierung sichergestellt sein. Bestes Beispiel sei das Deutschlandticket, denn hier seien die Land- und Stadtkreise als Aufgabenträger des ÖPNV nicht finanziell abgesichert und tragen ein Defizitrisiko.
Bürokratie: Anspruch und Wirklichkeit klaffen auseinander
Obwohl Entbürokratisierung von vielen politischen Akteuren als Ziel verkündet werde, bleibe offen, was genau gemeint sei und wer Verantwortung trage. "Gleichzeitig wächst eine Mentalität, Verantwortung abzusichern statt sie zu übernehmen. Das gefährdet unsere Handlungsfähigkeit vor Ort", warnte Landrat Dr. Bläse. Als Ziel formulierte er: "Wir wollen besser werden – der Ostalbkreis soll Beispiel einer leistungsfähigen Verwaltung sein, die ihre Entscheidungsspielräume im Sinne des Bürgers nutzt." Dafür durchforstet die Kreisverwaltung alle Bereiche nach Anwendungsmöglichkeiten des neuen "Kommunalen Regelungsbefreiungsgesetzes" des Landes, um Verwaltungsverfahren zu vereinfachen. Zudem will Joachim Bläse die Entscheidungskultur des Landratsamts dynamisieren.
Die veränderte Sicherheits- und Weltlage stellt Staat und Gesellschaft vor neue Fragen. Das Verhältnis von Nationalstaat und EU, die Diskussion um Wehrpflicht oder allgemeine Dienstpflicht sowie politische Instrumentalisierungen seien Herausforderungen. Eine reine Symbolpolitik wie die jüngsten Beflaggungsdiskussionen im Kreistag hält er für kontraproduktiv und dies fördere die Politikverdrossenheit weiter.
Auch wirtschaftlich bleibt die Lage aus Sicht des Landrats komplex. Verteidigungsausgaben könnten Innovation fördern, doch fehlten Impulse in Bereichen wie Gesundheit und Pflege. Auf kommunaler Ebene seien deshalb Impulse wie die Creative Hall an der Gmünder PH besonders wichtig. In Zeiten der Transformation seien aber generell Innovation und Forschung in neue Produkte, Technik und Produktion gefragt. Energiefragen zu Kosten und Bezug sowie Netzinfrastruktur bei Strom und Wasserstoff seien zudem unklar.
"Wir brauchen außerdem eine gesteuerte Arbeitszuwanderung, um demografische Herausforderungen zu bewältigen. Gleichzeitig müssen wir Familienpolitik als Teil der Wirtschafts- und Sozialpolitik begreifen. Beim Asylrecht und den Sozialleistungen brauchen wir eine ehrliche Debatte um den Standard, den wir bieten wollen und uns noch leisten können", so Bläse.
Fazit: Umsetzung statt Ankündigung
Abschließend appellierte Landrat Dr. Bläse: "Wir erleben viele Ankündigungen, aber zu wenig Taten. Das schwächt unsere Demokratie. Wenn wir nicht handeln, wird der Ruf nach der starken Frau oder dem starken Mann lauter werden. Unsere politische Kultur und Struktur könnten sich dadurch grundlegend verändern."
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