Nr. 237 vom 10.06.2025
"Alles fügt sich nach und nach" – Wie eine Ukrainerin auf der Ostalb zur geschätzten Erzieherin wurde
Yuliia Zhydkykh flüchtete 2022 vor dem Krieg aus Charkiw – heute arbeitet sie in einer Kita in Unterkochen. Der Weg dorthin war steinig und ist auch drei Jahre nach ihrer Flucht noch geprägt von bürokratischen Hürden.
Seit über einem Jahr arbeitet Yuliia Zhydkykh als Erziehungskraft in der städtischen Kindertageseinrichtung am Kocherursprung in Unterkochen. Die Ukrainerin, die zuvor in der Stadt Charkiw als Kita-Leitung tätig war, kam im Frühjahr 2022 nach Deutschland. Was als vorübergehender Aufenthalt gedacht war, entwickelte sich zu einem Neustart – mit vielen Herausforderungen, aber auch großer Unterstützung aus der Region.
Ihre Flucht im März 2022 führte sie über mehrere Stationen nach Aalen. In einer Zufallsbegegnung auf dem Weg nach Deutschland lernte sie eine ältere Dame kennen, die sie mit ihrer Tochter zusammenbrachte – dort fand Yuliia nicht nur eine Unterkunft, sondern auch familiären Anschluss. Heute lebt sie selbstständig, der Kontakt zur Ersatzfamilie von damals besteht weiterhin.
Berufliche Erfahrung und viel Eigeninitiative
Die studierte Sozialpädagogin begann kurz nach ihrer Ankunft mit einem Deutschkurs an der Volkshochschule. Parallel engagierte sie sich bereits ab Sommer 2022 in zwei Aalener Spielgruppen – zunächst ehrenamtlich, später mit Arbeitsvertrag. "Das war super. Ich hatte gleich eine Beschäftigung, konnte anfangen, Deutsch zu lernen, und hatte keine Zeit, über die schlimmen Geschehnisse nachzudenken", berichtet sie rückblickend. Im Spätsommer 2023 wechselte sie in die Kita am Kocherursprung, wo sie seither in Teilzeit arbeitet. Dort betreut sie unter anderem ein Kind mit erhöhtem Förderbedarf im Rahmen einer Eingliederungsmaßnahme. Ihre pädagogischen Fähigkeiten sowie ihr hohes Maß an Empathie und Engagement werden im Team sehr geschätzt.
Anerkennung scheitert an fehlenden Kursen
Ein Hindernis für eine volle Anerkennung als Erzieherin stellt derzeit das geforderte Sprachniveau C1 dar – ein Ziel, das Yuliia gerne erreichen würde. Doch entsprechende Sprachkurse sind aktuell nicht verfügbar. Selbst eine Teilnahme auf eigene Kosten ist derzeit nicht realisierbar. Simon Schmid, Leiter der Kita, kann die Situation kaum fassen:
"Das ist ein Widerspruch, den wir täglich erleben. Auf der einen Seite suchen wir händeringend nach qualifizierten Fachkräften, auf der anderen Seite können wir potenzielle Mitarbeiterinnen wie Yuliia durch starre Vorgaben und fehlende Infrastruktur nur in Teilzeit einstellen." Er schildert, wie wichtig praktische Erfahrung im pädagogischen Alltag ist: "Yuliia ist für uns längst Teil des Teams – und zwar nicht als Aushilfe, sondern als tragende Kraft. Sie bringt so viel Engagement mit, arbeitet strukturiert, denkt mit. Es ist bitter, dass wir sie nicht voll einsetzen dürfen." Auch menschlich sei die Zusammenarbeit ein Gewinn: "Sie hat eine unglaublich ruhige, positive Ausstrahlung – das wirkt sich auf das ganze Gruppengeschehen aus. Für die Kinder ist sie längst ein vertrauter Bestandteil im Alltag, und auch bei den Eltern kommt sie sehr gut an." Die sprachlichen Hürden sieht Schmid pragmatisch: "Natürlich braucht es ein gewisses Sprachniveau – keine Frage. Aber in der Praxis geht es vor allem um Beziehung, um Vertrauen, um Haltung. Und da ist Yuliia ganz stark." Angelika Steinert, stellvertretende Leitung der Einrichtung, unterstreicht das: "Mit Kindern lernt man sprechen – sie hören alles, korrigieren ungeniert. Das hat Yuliia sehr geholfen." Ihre Entwicklung sei beeindruckend. "Am Anfang war sie noch zurückhaltend, aber sie hat sich schnell integriert."
Unterschiede im System – aber dieselbe Leidenschaft
Yuliia selbst zieht einen klaren Vergleich zu ihrer früheren Arbeit in der Ukraine: "Es ist komplett anders. In der Ukraine habe ich von acht bis zwanzig Uhr gearbeitet. Die Work-Life-Balance ist in Deutschland schon eine andere." Auch das tägliche Leben unterscheide sich stark: Sie vermisst ihre Familie, das vertraute Umfeld – und sogar das Essen. Dennoch fühlt sie sich in Deutschland zunehmend zuhause: "Meine Zeit hier fühlt sich an wie ein Puzzle. Alles fügt sich nach und nach."
Yuliia will weiter ankommen – sprachlich, beruflich, gesellschaftlich. Ihr Engagement, ihre Erfahrung und ihre Ausstrahlung haben sie zu einer gefragten Kraft in der Kinderbetreuung gemacht. Dass ihr Weg in eine volle berufliche Anerkennung derzeit durch formale Hindernisse erschwert wird, steht sinnbildlich für ein System, das Fachkräfte sucht, aber nicht immer auf sie vorbereitet ist. "Wir wünschen uns mehr Flexibilität – sowohl auf Seiten der Behörden als auch bei den Angeboten für Sprachkurse", so Simon Schmid abschließend. "Denn wer so motiviert ist wie Yuliia, der sollte nicht ausgebremst, sondern gefördert werden."
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