Nr. 12 vom 15.01.2025
Wenn Blasen zerplatzen - und plötzlich war ich einsam
Im Juni 2024 fiel im Aalener Landratsamt der offizielle Startschuss für das Einsamkeitsnetzwerk "Ostalb Gemeinsam". Damit sollen dauerhafte Strukturen sowie geeignete Maßnahmen und Angebote zur Verringerung von Einsamkeit im Alter geschaffen werden. Manuel Gillner ist Projektleiter des Netzwerks, das mit Kooperationspartnern auf Initiative des Ostalbkreises entstand. Er hat mit der von Einsamkeit betroffenen Frau N. (Name wurde anonymisiert) ein Interview geführt. Frau N. ist 68 Jahre alt und wohnt im Raum Aalen. Im Gespräch erzählt sie über ihre Zeit in der Einsamkeit und wie sie es geschafft hat, diese zu überwinden.
Manuel Gillner: Frau N., Sie haben sich freiwillig bei uns gemeldet. Warum möchten Sie gerne über Ihre Erfahrungen berichten?
Frau N.: Ich glaube, dass viele Menschen unterschätzen, wie schnell man in eine solche Situation kommen kann. Ich selbst hätte nie geglaubt, einmal einsam zu sein. Deshalb möchte ich gerne meine Geschichte erzählen. Ich denke auch, dass es wichtig ist, offener über das Thema zu sprechen, da sehr viele Menschen davon betroffen sind und es immer noch ein großes Tabuthema ist, über das man nicht gerne spricht.
Manuel Gillner: Frau N. wie war das genau? Wann waren Sie von Einsamkeit betroffen und welches Ereignis spielte dabei eine Rolle?
Frau N.: Das war 2019. Ich war bis 2017 erwerbstätig. Dann wurde mein Mann krank, und als ich die Pflege übernahm, musste ich aufhören zu arbeiten. Dadurch fehlten dann auch die Kolleginnen und Kollegen als soziale Kontakte. Während der Pflege meines Mannes habe ich gar nicht so realisiert, dass meine sozialen Kontakte immer weniger wurden. Als mein Mann verstarb, verlor ich ihn als meine wichtigste Bezugsperson. Nach seinem Tod hatte ich zunächst so viel zu regeln, dass ich gar keine Zeit hatte, zu trauern und dies zu verarbeiten. Leider kam es dann auch zu einem Streit in der Familie, sodass auch der Kontakt zu meinen Kindern abnahm. Dann kam auch noch die Coronakrise dazu. Ich fiel in ein richtiges Loch und trank dann auch viel Alkohol. Irgendwann fiel mir dann auf, dass ich nicht nur alleine, sondern auch einsam war.
Manuel Gillner: Wie äußerte sich dieses Gefühl im Alltag?
Frau N.: Ich war völlig antriebslos und habe mich oft gefragt, welche Daseinsberechtigung und Aufgabe ich noch habe. Ich stellte mir die Frage nach dem Sinn des Lebens. Diese Gefühle wurden noch stärker, wenn ich negative Nachrichten gehört habe oder krank war.
Manuel Gillner: Können Sie dies näher beschreiben?
Frau N.: Naja, wenn du dich schlecht fühlst und dann kommen ständig noch negative Nachrichten, z.B. von Corona, Krieg und anderen Krisen, dann führt dies dazu, dass die ohnehin schon negative Einstellung noch schlechter wird. Starke Einsamkeitsgefühle hatte ich auch vor allem, wenn ich krank war. Da wünscht man sich doch jemanden, der einem eine Suppe bringt und einen pflegt. In diesen Phasen merkte ich besonders, dass ich mich einsam fühlte.
Manuel Gillner: Wie haben Sie es geschafft aus dieser Krise wieder herauszukommen?
Frau N.: Ich hatte während der Coronakrise von einem Gottesdienst gelesen und mich da gemeldet. Der Kontakt wurde immer intensiver und dadurch kam ich auch wieder zu Gesprächen mit anderen Menschen. Auch der Glaube hat mir in dieser Zeit geholfen, wieder einen Sinn in meinem Leben zu finden. Aus meiner Sicht sind Kirchen hier sehr gute Ansprechpersonen. Im Gespräch mit Menschen aus der Kirchengemeinde habe ich gelernt, dass ich auch ohne Familie einen Platz im Leben habe.
Manuel Gillner: Was sind aus Ihrer Sicht wichtige Faktoren, um Einsamkeit vorzubeugen? Was können Menschen tun, damit sie hoffentlich nicht in eine solche Situation kommen?
Frau N.: Es ist sehr wichtig, soziale Kontakte aufzubauen und diese auch zu pflegen. Dies ist mir bewusst geworden. Ich hatte Kontakte in der Arbeit, mit meinem Mann und meiner Familie. Diese sind nacheinander weggebrochen. Es war, als hätte ich ein Netz aus Seifenblasen um mich, die dann nach und nach zerplatzt sind. Doch ich habe gelernt, neue Blasen zu schaffen – stabilere. Dazu gehören zum Beispiel die Freundschaften in meiner Kirchengemeinde.
Manuel Gillner: Wie geht es Ihnen heute?
Frau N.: Auch wenn die Sonntage und Feiertage noch schwer sind, habe ich gelernt, dass es immer Hoffnung gibt. Jeder kleine Schritt zählt und niemand muss für immer einsam bleiben.
Manuel Gillner: Vielen Dank für das offene Gespräch.
INFO:
Das Netzwerk "Ostalb Gemeinsam" besteht aus den drei Säulen Öffentlichkeitsarbeit, Maßnahmenkonzept für Kommunen und Angebote für betroffene Personen. Mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit will der Ostalbkreis das Thema Einsamkeit aus der Tabuzone holen. Hierbei sollen auch betroffene Personen in Form von Interviews zu Wort kommen. Außerdem soll eine Landkarte mit Angeboten entstehen. Als zweite Säule bietet das Netzwerk Beratung für interessierte Kommunen an, die Konzepte für ein begegnungsförderndes Umfeld entwickeln und umsetzen möchten. Die dritte Säule beschäftigt sich mit der Schaffung und Weiterentwicklung von Angeboten für betroffene Personen im Ostalbkreis.
Weitere Informationen und Unterstützungsangebote für betroffene Personen: www.ostalbkreis.de/gemeinsam
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