Nr. 344 vom 03.07.2024
Cannabis-Legalisierung - Neue Herausforderungen für Suchthilfe und -prävention und Konsequenzen für den Führerschein
Was das neue Cannabisgesetz an Veränderungen für die Gesellschaft insgesamt und zahlreiche Institutionen wie ambulante und stationäre Suchthilfe mit sich bringt, darüber informierte der Suchtbeauftragte des Ostalbkreises Tobias Braun kürzlich die Kreistagsmitglieder im Ausschuss für Soziales und Gesundheit. Außerdem wurde darüber informiert, was für Autofahrer in Sachen Cannabiskonsum gilt.
Was sieht das Gesetz vor
Seit dem 1. April 2024 darf in Deutschland legal gekifft werden und seit dem 1. Juli 2024 sind die Regelungen zum Eigenanbau in Anbauvereinigungen in Kraft. Das neue Cannabis-Gesetz sieht allerdings Einschränkungen für Nutzung und Handel vor. So dürfen Erwachsene ab 18 Jahren zwar Marihuana konsumieren, aber nicht vor Jugendlichen oder vor, in und in Sichtweite von Schulen und Sportstätten. Der Handel mit Cannabis bleibt weiterhin verboten. Zeitliche Einschränkungen gelten auch für das Rauchen der Droge in Fußgängerzonen. Bezogen werden darf das Cannabis durch Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen oder über sogenannte Cannabis-Clubs, die im Aufbau sind. Erlaubt ist Erwachsenen an ihrem Wohnsitz der Besitz von bis zu 50 Gramm trockener Cannabisblüten. Im öffentlichen Raum dürfen bis zu 25 Gramm mitgeführt werden.
"Im Zuge der Teillegalisierung von Cannabis kommen so auf die Suchthilfe und Suchtprävention neue Herausforderungen zu. Hier wird es wichtig sein, dem bereits seither hohen Bedarf an Beratung gerecht zu werden, aber auch den steigenden Anfragen an Präventionsangeboten", betonte der Suchtbeauftragte des Landratsamts Ostalbkreis. Bereits jetzt schon stelle die Abhängigkeit bzw. der Konsum von Cannabis neben Alkohol die zweithöchste Hauptdiagnose bei der Beratung an den Suchtberatungsstellen dar, so Braun weiter. Daher sei es wichtig, die Angebote der Beratung und auch der Prävention im Ostalbkreis aufrechtzuerhalten und bedarfsorientiert auszubauen. Dies gelte insbesondere auch im Hinblick auf den Kinder- und Jugendschutz.
Wo gibt es Beratung
Braun informierte darüber, dass im Bereich der Suchthilfe die Psychosozialen Beratungs- und ambulanten Behandlungsstellen für Suchtkranke, Suchtgefährdete und Angehörige (PSB) der Träger Caritas Ost-Württemberg, Diakonieverband Ostalbkreis und Sozialberatung Schwäbisch Gmünd e.V. im Ostalbkreis für Betroffene und Angehörige Unterstützung anbieten. Hierzu stehen unter anderem Einzel- wie auch Gruppengespräche zur Verfügung. Ebenso bieten die Suchtberatungsstellen über die digitale Suchtberatungsplattform "DigiSucht" Beratung – auch anonym – für Angehörige und Betroffene an. Ein weiteres Angebot der PSBs ist die ambulante Rehabilitationstherapie für Abhängige illegaler Drogen und legaler Suchtmittel.
Ein besonderes Angebot des Ostalbkreises zur Frühintervention stellt das "BeratungsAngebotSuchT" (BAST) der drei Suchtberatungsstellen für erstauffällige konsumierende junge Menschen dar. So ist hier bereits ein adäquates Angebot vorhanden, welches den geforderten Frühinterventionsmaßnahmen für junge Menschen im Zuge des Cannabisgesetzes gerecht wird.
Braun betonte den Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik, der in der Suchtprävention durch die Teil-Legalisierung von Cannabis erfolgt sei und der für die Suchtprävention neue Herausforderungen bedeute. Schwerpunkte wie die Wirkweise und Wirkung von Cannabiskonsum, Folgen des Konsums, Umsetzung von Angeboten zur Cannabisprävention und rechtliche Grundlagen müssten nun in den Vordergrund gerückt werden. Aber auch die eigene Haltung gemeinsam mit den jungen Menschen zu reflektieren und Themen wie Stärkung des Selbstwertgefühls und Selbstbewusstseins seien wichtige Bestandteile einer gelingenden Prävention.
So hat der Kommunale Suchtbeauftragte des Ostalbkreises gemeinsam mit den drei Suchtberatungsstellen das Präventionsangebot "Cannabis – quo vadis?" der Villa Schöpflin im Ostalbkreis "installiert". Dieses Angebot können u. a. Schulen über die Suchtberatungsstellen anfragen.
Ein weiteres gefördertes Angebot ist der „Grüne Koffer – Methodenset Cannabisprävention“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) für alle Bundesländer. Der Einsatz dieses Koffers, von dem auch der Ostalbkreis zwei Stück erhalten hat, soll künftig durch Multiplikatorenschulungen, insbesondere für den schulischen Bereich, verbreitet und letztlich umgesetzt werden. Hierfür werden die Kommunalen Suchtbeauftragten des Ostalbkreises und des Landkreises Heidenheim eine gemeinsame Multiplikatorenschulung für die Fachkräfte aus Schule, Schulsozialarbeit und Suchtberatungsstellen im September 2024 veranstalten. Dabei werden u.a. weitere Präventionstools zur Suchtprävention vorgestellt und die Teilnehmenden in deren Umsetzung geschult.
Um den tatsächlichen Bedarf an Angeboten der Suchthilfe und Suchtprävention im Ostalbkreis besser einschätzen zu können, bestehen erste Ideen eines Monitorings. Hierbei ist angedacht, Anfragen bezüglich Beratung und Präventionsmaßnahmen, Straftaten, Ordnungswidrigkeiten etc. mit Hilfe des Suchthilfenetzwerkes zu erfassen und auszuwerten. So soll ermöglicht werden, bedarfsgerecht und ressourcenorientiert Planungen für eine weiterhin gute Suchthilfe und Suchtprävention für den Themenbereich Cannabis umzusetzen.
Auswirkungen auf die Fahrerlaubnis
Mit der Teil-Legalisierung von Cannabis wurde auch das Fahrerlaubnisrecht geändert. Somit hat Cannabis-Konsum auch Folgen für das Führen von Fahrzeugen. Die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts muss nun nach den Vorschriften der angepassten Fahrerlaubnis-Verordnung im Einzelfall prüfen, ob eine Abhängigkeit von Cannabis besteht oder Cannabismissbrauch vorliegt. Darüber informierte die Leiter des Geschäftsbereichs Straßenverkehr, zu dem die Fahrerlaubnisbehörde gehört, Doris Forstenhäusler. Damit entfalle mit der neuen Gesetzeslage das bisher im Rahmen der Fahreignungsüberprüfung im Zusammenhang mit Cannabis relevante Konsummuster "einmaliger, gelegentlicher oder regelmäßiger Konsum".
Die Frage der Abhängigkeit wird laut Forstenhäusler durch Einholung eines ärztlichen Gutachtens geklärt, wenn der Fahrerlaubnisbehörde Tatsachen über eine etwaige Abhängigkeit bekannt geworden sind. Cannabismissbrauch dagegen wird nun als hinreichend sicher fehlendes Trennungsvermögen zwischen dem Führen von Fahrzeugen und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Cannabiskonsum definiert. Ergeben sich bei der Fahrerlaubnisbehörde aufgrund von z.B. Strafakten, ärztlichen Unterlagen oder eigenen Angaben der betroffenen Person Bedenken dahingehend, dass künftig ein fehlendes Trennungsvermögen besteht, so wird zur Klärung die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet. Die Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erfolgt auch bei wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Einfluss von Cannabis. Voraussetzung hierfür sind mindestens zwei verwertbare Verkehrsverstöße unter Einfluss von Cannabis.
Grenzwert hierfür ist weiterhin der bisherige, von der Rechtsprechung abgeleitete Wert von 1,0 ng/ml im Blut. Die Einführung eines THC-Grenzwerts von 3,5 ng/ml im Straßenverkehr wird derzeit im Gesetzgebungsverfahren diskutiert. Am 6. Juni 2024 wurde der neue Grenzwert in 2. und 3. Lesung im Bundestag beraten und beschlossen, der Bundesrat berät am 5. Juli.
Laut Forstenhäusler löst der bloße Besitz von Cannabis sowie regelmäßiger Konsum von Cannabis, ohne dass eine Abhängigkeit oder Missbrauch besteht, nun grundsätzlich keine Eignungsüberprüfung mehr aus. Gleiches gelte für den Mischkonsum von Alkohol und Cannabis. Ein solcher Mischkonsum habe bislang die Fahreignung ausgeschlossen. Der Mischkonsum stelle seit 1. April 2024 für sich genommen keine Grundlage mehr für Eignungszweifel dar.
Schließlich komme auch den bisher als Anhaltspunkte zum Konsummuster herangezogenen Werten der Abbauprodukte von THC nun grundsätzlich keine Bedeutung mehr zu. Die THC-COOH Werte sind nicht mehr anwendbar, um beispielsweise eine Anhängigkeit von Cannabis zu vermuten.
"Nachdem die neuen Regelungen keine Übergangsfrist haben, werden diese seit 1. April 2024 von der Fahrerlaubnisbehörde angewendet", sagte Doris Forstenhäusler. Rund 150 Verwaltungsverfahren zur Überprüfung der Fahreignung im Zusammenhang mit Cannabis, die vor Eintritt der Gesetzesänderung bereits bei der Fahrerlaubnisbehörde anhängig waren, wurden schon vollständig an die neue Rechtslage angepasst oder rückabgewickelt. "Letztlich muss im Einzelfall bei Hinweisen auf Eignungszweifel unter Ausübung des Ermessens entschieden werden, ob und welche fahrerlaubnisrechtlichen Maßnahmen entsprechend der gültigen Rechtlage und verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ergriffen werden müssen", so Forstenhäusler abschließend.
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Beauftragter für Suchtprävention / Kommunaler Suchtbeauftragter
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