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Pressemitteilung

Nr. 4 vom 07.01.2023

Das Jahr 2022 aus der Sicht der Landwirtschaft - Ostalb-Landwirte meistern vielfältige Herausforderungen

Nach coronabedingter zweijähriger Pause findet in diesem Jahr wieder der traditionelle Kalte Markt in Ellwangen statt. Tiemo Hofmann, seit 1. Juni 2022 Leiter des Geschäftsbereichs Landwirtschaft des Ostalbkreises, wirft einen Blick zurück auf das Landwirtschaftsjahr 2022:

Witterungsextreme und Standortunterschiede bewirken deutliche Ertragsspannen
Landwirtschaft findet überwiegend im Freien statt. Kaum eine andere Branche ist den Klima- und Witterungseinflüssen so ausgesetzt wie die Landwirtschaft. Die Ernteergebnisse in Qualität und Menge werden sehr stark von diesen Einflüssen bestimmt. Deshalb wird in dieser Sparte sehr oft über das Wetter gesprochen. Je nachdem, welche Arbeiten gerade anstehen - Bodenbearbeitung, Aussaat, Pflegemaßnahmen, Ernte - sind die Wünsche sehr unterschiedlich. Zum richtigen Zeitpunkt sollte es also genau so feucht oder trocken, so warm oder kühl sein, wie es für das jeweilige Ereignis optimal ist. Wünsche werden natürlich nicht immer erfüllt und so bleibt jedes Jahr bis zum Abschluss der Ernte spannend. Im Januar 2022 gab es im Ostalbkreis starken Frost. Durch den Schnee wurden Kahlfröste verhindert und die Winterkulturen (Weizen, Gerste, Raps) nicht geschädigt. Das Frühjahr ließ eine gute Aussaat der Sommerkulturen zu. Auch der Mais konnte von überwiegend guten Bedingungen profitieren und hatte einen guten Start. Bis Ende Juni verlief das Pflanzenwachstum mehr oder weniger zufriedenstellend.

Im Juli wurde es dann richtig spannend. Die Niederschläge blieben aus und die Temperaturen kletterten auf immer neue Höchstwerte. Das Getreide, insbesondere die Gerste, reifte mitunter viel zu früh ab. Die Körner wurden nicht optimal gefüllt. 2022 wirkten sich die Standortunterschiede deutlich auf den Ertrag aus. Je nach Bodenqualität und der Verteilung der Niederschläge zeigten sich sehr unterschiedliche Ergebnisse. Die Unsicherheit über die zu erwartende Ernte 2022 nahm zu. Viele waren überrascht, dass es im Ostalbkreis zwar eine frühe, aber dennoch insgesamt durchschnittliche Getreideernte gab, zumindest mengenmäßig. Die Qualitäten hinsichtlich Kornfüllung und Eiweißgehalt waren überwiegend schwächer. Trotzdem waren die Mühlen mit der Backqualität des Brotweizens insgesamt zufrieden.
Der trockene Juli hatte starke Auswirkungen auf die Futterpflanzen (Mais, Grünland). Beim Mais gab es sehr unterschiedliche Ernteergebnisse. Auf einigen Standorten konnten die für den Ertrag so wichtigen Kolben nicht vollständig befüllt und ausgebildet werden. Bei der Maisernte gab es 2022 eine Spanne von guten bis zu sehr schlechten Erträgen.

Die Niederschläge über den Winter und im Frühjahr haben beim Grünland zu guten bis sehr guten Erträgen im ersten Schnitt geführt. Hier konnte sowohl ausreichend Masse als auch die entsprechende Qualität geerntet werden. Weniger Niederschläge in den Folgemonaten haben an vielen Standorten einen schwächeren zweiten Schnitt gebracht. Der dritte Schnitt fiel aufgrund der Trockenheit im Juli zunächst aus. Das Grünland verdiente seinen Namen nicht, es war weitgehend braun. Erst mit den Niederschlägen im August und vor allem im September konnte sich das Grünland unerwartet gut erholen. Bis in den Herbst hinein konnte Gras geerntet werden. Anfang August hätte das kaum jemand erwartet. Letztlich wurden ausreichende Mengen und Qualitäten erzielt.

Landwirtschaft muss sich den Klimaveränderungen anpassen
Das Jahr 2022 war für die Landwirtschaft in Bezug auf die Witterung wieder ein aufregendes Jahr. Die Durchschnittstemperatur lag 3,1 C° über dem langjährigen Mittel (im Oktober +5,6 C°). Die Niederschläge waren nur leicht höher, allerdings war die ungleichmäßige Verteilung problematisch. Wenn man das Wetter von einem einzelnen Jahr betrachtet, kann man natürlich nicht gleich auf das Klima schließen. Fakt ist, dass die Zahl der auffällig trockenen Jahre (1976, 2003, 2015, 2018) zunimmt. Andererseits werden Wetterextreme wie in 2016 (Braunsbach) oder 2021 (Ahrtal) auch in Deutschland immer häufiger und gefährlicher. Auf der ganzen Welt werden Klimadaten aufgezeichnet. Alle zeigen einen kontinuierlichen Anstieg der Jahresdurchschnittstemperaturen. Der Klimawandel ist da. Die Welt wird wärmer. Auch die Natur zeigt uns das. Der Frühlingsbeginn in Deutschland verschiebt sich immer weiter nach vorne. Für die Landwirtschaft bedeutet das veränderte Vegetationsverläufe und frühere Ernten. Es ist ein langsamer Prozess. Die Landwirtschaft wird sich anpassen. Wassersparende Anbautechniken und Fruchtfolgen werden langfristig verstärkt in den Vordergrund treten. Pflanzensorten, die mit wärmeren und trockeneren Bedingungen besser zurechtkommen, werden in der Zukunft ihre Chance haben. Die Pflanzenzüchter haben das im Fokus und arbeiten an der Züchtung entsprechender Sorten. In Zukunft werden unsere Landwirtinnen und Landwirte die Lebensmittel für uns auch in einem veränderten Klima produzieren.

Ukraine-Krieg verändert Märkte für landwirtschaftliche Erzeugnisse
Am 24.02.2022 begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Große Teile der Welt sind von den wirtschaftlichen Auswirkungen direkt oder indirekt betroffen. Auch für unsere Landwirtschaft spielt das eine große Rolle. Die Märkte für landwirtschaftliche Erzeugnisse haben sich seit Beginn des Ukrainekriegs schlagartig verändert. Bisher haben die Märkte auf jede gravierende Wettermeldung reagiert und die Preise nach oben oder nach unten bewegt, die sogenannten "Wettermärkte". Wenn z.B. in den USA Trockenheit gemeldet wurde, ließ der zu erwartende Ertragsrückgang die Preise für Weizen, Soja und Mais auch bei uns ansteigen. Kamen dann doch noch rechtzeitig Niederschläge sanken die Preise in Erwartung einer guten Ernte wieder. 2022 war das Wetter natürlich immer noch sehr wichtig. Der Krieg hatte aber eine viel größere Wirkung auf die Preisbildung, insbesondere bei Getreide und Ölsaaten (Raps, Sonnenblumen). Millionen Tonnen von Getreide und Ölsaaten lagen in ukrainischen Schwarzmeerhäfen fest. Niemand wusste, ob der Weizen, der auf den ukrainischen Feldern stand, tatsächlich geerntet werden könnte. Nach und nach kam es zu einer gewissen Entspannung. Dabei war es sehr wichtig, dass man sich auf die Öffnung genau definierter Schifffahrtsrouten einigte und so Teile des ukrainischen Getreides über die wichtigen Seehäfen am Schwarzen Meer exportiert werden konnten.

Warum ist die Ukraine für die Weltgetreidemärkte so bedeutend? Der Ukrainekrieg trifft eine Region, die für die Welternährung eine sehr große Bedeutung hat. Er trifft die "Kornkammer Europas". Die in der Ukraine produzierten europäischen Überschüsse hatten in den letzten Jahren eine enorme Bedeutung für die Welternährung. Millionen Menschen - vor allem in Nordafrika - sind von dem Weizen aus der Ukraine abhängig. Millionen Menschen werden zusätzlich schlagartig vom Hunger bedroht. Es gibt keine wirkliche Alternative. Wenn der ukrainische Weizen nicht produziert oder nicht aus der Ukraine heraustransportiert werden kann, fehlen am Weltmarkt etliche Millionen Tonnen. Die Welt besitzt praktisch keine Getreidevorräte. Erzeugung und Produktion hielten sich in den letzten Jahren etwa die Waage.

Die europäische Landwirtschaft wird wesentlich von der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union bestimmt. Im Jahr 2023 beginnt eine neue Förderperiode der GAP. Die Betriebe müssen verschiedene Auflagen erfüllen. Ein Punkt ist die vierprozentige Flächenstilllegung. Eine Maßnahme, die zu mehr Biodiversität auf den Äckern führen soll. Bereits 2022 hätten nach der Ernte vier Prozent der Flächen für 2023 stillgelegt werden müssen. In Anbetracht der Kriegssituation mit der geschilderten Unsicherheit für die Ernährung von mehreren Millionen Menschen wurde diese Maßnahme zunächst für 2022/2023 ausgesetzt. Es wäre wohl nur schwer zu vermitteln gewesen, wenn in der Europäischen Union rund vier Millionen Hektar ohne Anbau geblieben wären und andererseits Menschen hätten hungern müssen. Auch die Landwirtschaft hat sich massiv für die vorübergehende Aussetzung der Stilllegung eingesetzt.

Energiekosten für Betriebsmittel stiegen massiv
Die Marktsituation 2022 führte für unsere Landwirtinnen und Landwirte teilweise zu steigenden Erzeugerpreisen bei Getreide und Raps. Eine zunächst erfreuliche Entwicklung, die aber durch die ebenfalls gestiegenen Kosten für landwirtschaftliche Betriebsmittel wieder relativiert wurde. Strom, Gas, Diesel - die Preise für Energie schlugen wilde Kapriolen. Jeder Verbraucher hat das selbst zu spüren bekommen. Die Herstellung von Mineraldüngern, insbesondere Stickstoffdüngern, ist sehr energieintensiv. Die Produzenten reduzierten aufgrund der unsicheren Marktsituation teilweise die Düngemittelproduktion. Mineraldünger wurden sehr teuer und die Verfügbarkeit war stark eingeschränkt. 2022 Mineraldünger kaufen zu wollen, war nicht nur eine Frage des Preises. Teilweise konnten Betriebe nur die Düngermenge kaufen, die tatsächlich in den Lagerhäusern vorhanden waren. Neue Bestellungen waren nicht immer möglich.

Russland nimmt hier eine herausragende Rolle ein – als Erdgaslieferant für die Düngeproduktion, aber auch als großer Hersteller und Lieferant von Stickstoff, Phosphat und Kali. In der ersten Jahreshälfte lieferte Russland noch Gas in die Europäischen Union. Die Verknappung, insbesondere von mineralischem Stickstoffdünger, hatte u.a. zur Folge, dass weniger Mineraldünger eingesetzt wurde und Wirtschaftsdünger (Gülle, Mist) an Wert gewann und von den Betrieben noch gezielter und effizienter eingesetzt wurde. Die Pflanzenbestände wurden zum Teil mit einer geringeren Intensität geführt.
Insbesondere für Futterbaubetriebe (Milchvieh) und Veredlungsbetriebe (Ferkelerzeugung, Schweinemast, Geflügel) wirken sich die hohen Erzeugerpreise beim Getreide nicht unbedingt positiv auf das wirtschaftliche Ergebnis aus. Betriebswirtschaftlich und arbeitswirtschaftlich ist es meistens sinnvoller, fertige Futtermischungen aus Getreide, Eiweißkomponenten und Mineralstoffen zu kaufen, als sie selber herzustellen. In der Regel wird mehr Futter zugekauft als Getreide verkauft wird. Hohe Getreidepreise erhöhen daher die Futterkosten, weil das Zukauffutter teurer wird.

"Wir haben uns 2022 auf unsere Landwirtinnen und Landwirte verlassen können. Sie haben uns mit qualitativ hochwertigen und regionalen Lebensmitteln in ausreichender Menge versorgt. Und auch 2023 können wir wieder auf sie zählen. Auch wenn jedes Jahr anders ist, unsere Landwirtschaft wird die Herausforderungen meistern", betont Tiemo Hofmann abschließend.

Das Jahr 2022 aus der Sicht der Landwirtschaft - Ostalb-Landwirte meistern vielfältige Herausforderungen

Das Jahr 2022 aus der Sicht der Landwirtschaft - Ostalb-Landwirte meistern vielfältige Herausforderungen
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