Nr. 140 vom 01.04.2021
Absolute Schweremessungen in Ellwangen - Kreisberufsschulzentrum ist jetzt Teil des Deutschen Schweregrundnetzes
Eine Vermessungsmarke des Deutschen Schweregrundnetzes findet sich neuerdings im Untergeschoss des Kreisberufsschulzentrums Ellwangen. Seit vergangener Woche ist das Schulzentrum nämlich Standort für Schweremessungen des Bundesamts für Kartographie und Geodäsie (BKG) und damit Teil des Deutschen Schweregrundnetzes, das deutschlandweit aus 35 Schwerereferenzstationen besteht.
Das BKG ist für die Sicherung der Schwerereferenz in Deutschland verantwortlich. Dafür betreibt das BKG stationär so genannte supraleitende Gravimeter (SG) in Observatorien und operativ nutzbare Absolutgravimeter (AG), die die Schwerebeschleunigung nach dem Prinzip des freien Falls im Vakuum messen. Durch wiederholte Messungen werden mit diesen Geräten Niveau und Maßstab der Schwerebeschleunigung in Deutschland an ausgewählten Punkten überwacht.
Einer der beiden bisherigen Messpunkte in Baden-Württemberg war bereits im Ostalbkreis - nämlich in der Hermann-Hesse-Schule Aalen. Da dort wegen baulicher Änderungen der Messpunkt nicht mehr bleiben konnte, wurde jetzt am Kreisberufsschulzentrum Ellwangen ein neuer Messpunkt eingerichtet, der mit einer Metallplatte dauerhaft markiert ist.
"Mit Unterstützung des Geschäftsbereiches Geoinformation und Landentwicklung des Landratsamtes Ostalbkreis fanden vergangene Woche die ersten Schweremessungen statt. In zehn Jahren sind dann die ersten Wiederholungsmessungen geplant", berichten Jürgen Eisenmann, Leiter des Kreis-Geschäftsbereichs, und Claudia Vogel, seine Stellvertreterin. "In der Zwischenzeit dient dieser Punkt als Anschlusspunkt für relative Messungen. Mit Relativgravimetern, die auf dem Prinzip einer Federwaage beruhen und deshalb nur örtliche Differenzen im Schwerewert messbar machen können, kann dann der absolute Schwerewert von Ellwangen mit hoher Genauigkeit in die weitere Umgebung übertragen werden." Er dient somit vor allem als Referenz für das Schwerenetz des Landes Baden-Württemberg.
Für die Bestimmung der physikalischen Figur, also der Form der Erde ist die Vermessung des Schwerefeldes an der Erdoberfläche die Grundlage. Und deshalb weiß man inzwischen auch, dass die Erde keine ganz gleichmäßige Kugel ist. Notwendig ist die genaue Kenntnis des Schwerewertes zum Beispiel auch dort, wo Präzisionswaagen kalibriert werden.
"Der bisherige Schweregrundnetzpunkt in Aalen war Teil eines in den 1970er Jahren erkundeten Netzes. Nachdem der Messpunkt in Aalen nicht weiter genutzt werden kann, war es für uns naheliegend, uns beim BKG dafür einzusetzen, dass der Ersatzmesspunkt in der Region bleibt. Wir freuen uns, dass der Ostalbkreis mit dem Kreisberufsschulzentrum Ellwangen eine Liegenschaft zur Verfügung stellen kann, die alle Anforderungen perfekt erfüllt", so Jürgen Eisenmann. Dazu gehören ein stabiler geologischer Untergrund, die langfristige Nutzungsmöglichkeit des Gebäudes in öffentlicher Hand, die gute Zugänglichkeit zum Messpunkt, eine möglichst stabile Raum-Temperatur, eine stabile Gründungssubstanz des Gebäudes, um Setzungen zu vermeiden und ein stabiles Bodenfundament ohne Hohlraum unter dem Fußboden.
Hintergrundinformationen:
Das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG)
Als zentraler Dienstleister des Bundes und Kompetenzzentrum für Geoinformation und geodätische Referenzsysteme befasst sich das BKG mit der Beobachtung über die Datenhaltung bis hin zur Analyse, Kombination und Bereitstellung von Geodaten. Von der Arbeit des BKG, einer Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI), profitieren insbesondere Bundeseinrichtungen, die öffentliche Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft – und fast jeder Bürger in Deutschland. Experten aus den verschiedensten Bereichen wie Verkehr, Katastrophenvorsorge, Innere Sicherheit, Energie und Umwelt verwenden Geodaten, Landkarten, Referenzsysteme und Informationsdienste des BKG für ihre Pläne und Untersuchungen.
Das BKG unterhält ein Dienstleistungszentrum in Leipzig (www.geodatenzentrum.de) sowie geodätische Observatorien im In- und Ausland. Weitere Informationen finden Sie unter www.bkg.bund.de.
Was ist Schwere?
Als der Mathematiker und Physiker Sir Isaac Newton (1643 bis 1727) in seinem Garten sitzend beobachtet, wie ein Apfel vom Baum zur Erde fällt, stellt er sich die Frage, warum der Apfel eigentlich nach unten fällt. In der Folge entwickelt er die Theorie des uns bekannten Gravitationsgesetzes, mit dem die Kraft beschrieben wird, die zwei Massen aufeinander ausüben. Die Beschleunigung, die ein Körper an der Erdoberfläche durch die Gravitationswirkung der Erde erfährt, wird Schwerebeschleunigung oder auch Schwere genannt.
Aus dem Schulunterricht ist manchem noch ein Wert für die Schwerebeschleunigung von 9,81 m/s2 bekannt. Jedoch ist der Wert der Schwere bei weitem nicht überall auf der Erde gleich und sie verändert sich auch mit der Zeit. Die Abplattung der Erdfigur an den Polen, die Erdrotation, unterschiedliche Massenverteilung im Erdinnern, aber auch Massen wie Gebäude beeinflussen den örtlichen Schwerewert.
Variierende Anziehungskräfte von Sonne und Mond (Erdgezeiten), Hochdruck- und Tiefdruckgebiete in der Atmosphäre oder Veränderungen des Grundwassers führen dazu, dass der Schwerewert auch über die Zeit nicht konstant bleibt. So nimmt die Schwerebeschleunigung, über ganz Deutschland betrachtet, von Süden nach Norden zu, aber mit zunehmender Höhe ab – ein Effekt, den die Ingenieure des BKG mit ihren Messungen sehr genau nachweisen können.
Das eingesetzte Messgerät und wie es funktioniert
Zum Einsatz kommt ein Absolutgravimeter vom Typ FG5. Das Messsystem hat eine Masse von etwa 150 kg und wird in sechs Kisten transportiert.
Das Gerät kann den aktuellen absoluten Wert der Schwerebeschleunigung an diesem Punkt innerhalb einer Messungszeit von etwa zwei Tagen mit einer Genauigkeit von besser als sieben Stellen nach dem Komma bestimmen (9,81 +/- 0,00000003 Meter pro Quadratsekunde).
Ein Absolutgravimeter arbeitet nach dem Prinzip des freien Falls: In einer Vakuumkammer des Instruments fällt eine Testmasse (hier etwa 20 cm) im Schwerefeld der Erde. Die Fallbewegung der sich beschleunigenden Testmasse wird mit dem Lichtstrahl eines Lasers gegenüber einem Referenzpunkt im Instrument interferometrisch ausgemessen. Aus der Fallbewegung der Testmasse und genauen Zeitablesungen lässt sich die Schwerebeschleunigung am Messpunkt errechnen.
Um die benötigte hohe Messgenauigkeit zu erreichen, benutzt man das Licht eines stabilisierten Lasers und eine sehr genaue Atom-Uhr (Rubidium-Oszillator) für die Zeitablesungen. Die Vakuum-Kammer verhindert, dass Luftmoleküle die fallende Masse „bremsen“. Als Referenzpunkt der Messung dient ein an einer gedämpft aufgehängten Feder befestigter Spiegel. Auf diese Weise wird das Instrument gegen störende Umwelteinflüsse abgeschirmt. Da die Fallbeschleunigung bei diesen Messungen direkt aus physikalischen Standards für die Länge und die Zeit abgeleitet werden, spricht man von einer „absoluten“ Schweremessung.
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